Hoch hinauf

Beschriebener Streckenabschnitt: Shangri-la (Zhongdian) (China 🇨🇳) – Litang (China 🇨🇳); 450 km; 7 Tage (11.04.2017 – 17.04.2017)

Von Shangri-La machten wir uns am Dienstag, 11. April, auf den Weg durch die Berge um schlussendlich nach einer Woche am Montag, 17. April, in Litang anzukommen.

Der Weg aus Shangri-La raus auf die Straße X219 war gleich schon mal eine Herausforderung, da sie aufgrund einer großen Baustelle gesperrt war. Nach kurzem Suchen fanden wir aber schnell eine Alternative um aus der Stadt raus zukommen. Bis zu den letzten Ausläufern der Stadt hatte es viel LKW Verkehr und es war laut und staubig. Danach wurde der Verkehr weniger und so kamen wir auf der gut ausgebauten Straße rasch voran.

Während der WC Pause holten uns die beiden Tandemfahrer Alexine und Bastien aus Frankreich ein (Link zu ihrem Blog). Wir unterhielten uns mit ihnen und erfuhren so, dass sie bereits seit April 2015 unterwegs sind und bis Litang den selben Weg wie wir geplant hatten. Also beschlossen wir kurzerhand vorerst mal gemeinsam weiterzufahren. Während die beiden auf ihrem Tandem „gemeinsam“ den nächsten Übergang erklommen, musste Regula fleißig alleine in die Pedale treten. Dafür flatterten über dem Pass (wir nannten ihn später den sogenannten Einfahrpass) Gebetsfahnen wie wild im Wind. Ein klares Zeichen, dass wir uns nun definitiv im tibetisch geprägten Teil der Provinz Yunnan befinden.

Während wir durch schöne Bergtäler fuhren begegneten wir immer wieder Yaks, welche sich in über 3000m Höhe an winzig kleinen Grasbüscheln sattfraßen. Das Gras war aufrund der rauhen Umgebungsbedingungen in großen Höhen oft nur wenige Millimeter lang und meist noch dazu aufgrund des wenigen Regens trocken und braun. Trotz alledem machten die Yaks wie dieser im unteren Bild immer einen sehr zufriedenen Eindruck und liesen sich meist durch nichts aus der Ruhe bringen. Wenn die Kühe meiner Eltern nur mit so wenig zufrieden wären…

Wir genossen es wieder so richtig in den Bergen zu sein und hätte uns der Höhenmesser nicht über 3500m angezeigt, so hätten wir öfters mal gedacht, wir befinden uns irgendwo zu Hause in den Alpen. Der zweite Pass erinnerte uns deshalb an einen Alpenpass

Nach dem Übergang folgte eine genussvolle Abfahrt…

Dabei gab es immer wieder interessante Begegnungen…

Da wir nun zu viert unterwegs waren, machten wir auch gemeinsame Mittagspausen. So hielten wir unter anderem am unten gezeigten Fluss an und kochten uns eine Mahlzeit. Leider wird hier in China, wie aber auch in den meisten südostasiatischen Ländern, viel Müll einfach im Fluss oder am Flussufer entsorgt und somit spätestens mit dem nächsten Hochwasser mitgerissen. Mich wundern die Berichte über rießige schwimmende Müllinseln in den Weltmeeren längst nicht mehr, diese zeigen eigentlich nur traurig wie verantwortungslos wir mit der Natur umgehen.

Bereits in Shangri-La waren uns Häuser mit einer riesigen Glasfront aufgefallen und in einigen Dörfern durch die wir kamen sahen wir ganze Häuser unter solch einer Glas-Metallkonstruktion verschwinden. Dies macht hier durchaus Sinn, denn so kann die Wärme der Sonne unter Tags quasi eingefangen werden, wodurch die Nächte in diesen großen Höhen angenehm wärmer sind und zudem hat man praktisch keinen Wind mehr um das Haus. Aussehen tut das „Haus im Haus“ trotzdem komisch…

Neben interessanten Bauwerken entdeckten wir aber immer wieder auch interessante Menschen, wie diese Frau, welche gerade mit Weben beschäftigt war.

Hier in den buddhitisch geprägten Gebieten, wehen entweder Fahnen im Wind um Gebete „in die Welt hinaus zu tragen“, glänzen goldene Dächer unter den Sonnenstrahlen oder drehen sich Gebetsmühlen. Bisher kannten wir die Gebetsmühlen so, dass diese von dem Betenden angestoßen wurden. Hier aber entdeckten wir eine quasi „automatische Gebetsmühle“. Diese war mit einem Wasserrad verbunden und der darunter durchfließende Bach trieb über die Wasserräder die Gebetsmühlen an, sodass sich diese laufend drehten.

Als es am Mittwoch dem sogenannten Daxuenshanpass, auf 4300m hinauf ging, endete gegen Ende des Tages der Asphalt und für die nächsten etwa 71km und folgenden zwei Tage, folgte eine der schlechtesten Straßen, die wir je gefahren waren. Schlecht war sie für uns Radfahrer, weil viel zu große Steine „verbaut“ waren, sodass man ständig durchgerüttelt wurde. Der dritte Pass war demnach der Holper(doppel)pass. Der Anblick ein paar die Straße kreuzenden Pferden mit Fohlen lies das Holpern für ein paar Sekunden vergessen.

Abends als unsere Knochen und Gelenke genug durchgeschüttelt waren stellten wir das Zelt auf und genossen den Abend mit selbstgekochtem Essen und spannenden Reiseerzählungen. Für Bastien und Alexine, die meist in kalten Regionen unterwegs waren, war wenn immer möglich auch ein Feuer zum Aufwärmen wichtig. So lernten wir wie gut man hier mit dem trockenen Holz ein Feuer machen kann und wie gut dieses wärmt (ein Segen bei den eisigen Temperaturen am Abend und am Morgen).

Am Donnerstag dann folgte der weitere Anstieg zu dem 4300m Pass. Während wir über die Steine dahinholperten, sahen wir immer wieder tief in die Täler hinunter.

Was für schöne und faszienierende Anblicke…

Auch wenn das hinauffahren anstrengend ist…

…und wir über 4000m Höhe schon merkten, dass die Luft etwas dünner wurde und wir mehr atmeten und trotzdem langsamer fuhren,…

… so waren mit dem erreichen des Passes alle Anstrengungen und Wehwehchen vergessen.

Die Glücksgefühle überwiegten alle Strapazen.

Nach dem Pass folgte nach einer kurzen Abfahrt eine lange Querung zum nächsten Übergang. Da die Strasse immer schlechter wurde, hätten wir uns nun definitiv anstatt dem vollbepackten ungefederten Reiserad das vollgefederte Mountainbike, das zu Hause im Keller verstaubt, herbeigewünscht. Ohne Mountainbike mussten wir sehr gut aufpassen und übersahen trotzdem so manches Schlagloch, so manchen großen Stein und wurden durchgeschüttelt…

Bei der Mittagspause am Straßenrand blies uns dann der Wind noch fast das zum trocknen ausgelegte Zelt davon und das Essen wurde mit Sandkörnern verfeinert… Mhhhhhhmmmm…

Dafür wurden wir wieder mit schöner Aussicht ins Tal und die umliegenden Berge belohnt.

Alexine und Bastien hatten an diesem Tag leider viel Pech mit dem Vorderreifen. Beim ersten Platten war die Ursache unklar, beim zweiten Platten war der Draht des erst in Shangri-La und damit quasi neuen Big Ben Reifens gebrochen (womit dieser bereits nach knapp 200km reif für den Müll war) und hatte den Schlauch angestochen, beim dritten Platten mit dem Ersatz-Mountainbikemantel kam es zu einem klassischen Durchschlag auf die Felge (Schlangenbiss). Nach dem vierten Platten, bei welchem es ihnen den Schlauch mit einem lauten Knall zerfetzte, schenkte ich ihnen unseren Ersatzmantel, ebenfalls einen Schwalbe Big Ben, aber um einiges breiter als den welchen sie hatten. Diesen hatte ich auf meinem Rad bereits über 15.000km gefahren und er war somit eingefahren und schon ziemlich abgenutzt, aber er hielt schlussendlich mindestens bis Litang durch (wer weiß wie weit sie damit noch kommen – wir hoffen so weit bis sie guten Ersatz bekommen).

Da Bastien ausgebildeter Radmechaniker ist, war jede einzelne Panne im Handumdrehen geflickt. Da es jedoch soviele waren und wir auf der Strasse nur so langsam vorankamen, schlugen wir an diesem Abend erst spät unsere Zelte gleich hinter dem zweiten Übergang, der Grenze nach Sichuan, auf.

Am Freitagmorgen, 14. April, holperten wir ins Tal nach Ranwu hinunter, wo endlich wieder der Asphalt begann…

Auf dem Weg durch das Tal in die Stadt Xiangbala (oder auch Xiancheng genannt) kamen wir an wunderschönen tibetischen Häusern vorbei, die nun wieder ganz anders aussahen als die Häuser davor.

An dieser Kreuzung mussten wir Männer uns mal orientieren, während unsere Frauen Fotos machten 😎.

In Xiangbala füllten wir unsere Radtaschen mit Lebensmittel und fuhren dann am späten Nachmittag noch ans Ende des Tales.

Am Abend, am Zeltplatz am Fluss, gesellte sich Tim ein Radfahrer aus Taiwan und eine lokale Bewohnerin, die ihr Vieh gerade an uns vorbeigetrieben hatte, zu uns ans Lagerfeuer. Tim fuhr ohne Zelt (dies wurde ihm angeblich vor ein paar Tagen geklaut) und ohne Kocher durch diese hohen Berge. Während wir mit unserer Topausrüstung schon manchmal Bedenken haben, fährt er einfach ohne große Angst weiter. Er möchte bis nach Europa kommen, aber ob er dies gesundheitlich schafft bezweifeln wir, denn sein Gesicht war von der Kälte der Nacht und den starken UV-Strahlen in der Höhe über 4000m verbrannt, zudem aß er keine richtigen Mahlzeiten, sondern kaute nur an ungekochten Nudeln herum.

Am Samstag stand dann ein über 1900m Anstieg auf den Kuluke Pass mit 4708m (wir haben 4718m gemessen) an.

Unterwegs kamen wir immer wieder an Bauarbeitern vorbei, welche dran waren neue Stützmauern zu bauen um anschließend die Straße verbreitern zu können.

Schon am Anfang des sehr steilen Anstiegs wurden wir mal wieder von vielen bunten Gebetsfahnen begrüßt.

Über 4300m Höhe und mit bereits über 1500 Höhenmetern an diesem Tag in den Beinen wurde es dann immer anstrengender. Zudem rebellierten alle vier Mägen, da wir alle eine grosse Portion frischen Kohl aus Xiangbala zu Mittag verdrückt hatten (falls jemand von euch wirklich auf die blöde Idee kommt einen Kohlkopf auf 4000 Meter zu tragen, dann ein Rat: Köpft ihn erst beim Abstieg – alles andere ist sehr unangenehm!). Zum Glück war die Straße nun nicht mehr ganz so steil.

Viel wuchs hier auf etwa 4500m nicht mehr…

Glücklich kamen wir spät nachmittags alle vier auf dem Kuluke Pass auf offiziellen 4708m (unser neuer Rekordpass) an. Dieser vierte Pass wird uns als steiler Pass mit Blähungen in Errinnerung bleiben…

Hinter dem Pass wieder eine ganz neue Landschaft…

Am Abend bekamen wir wieder Besuch von einem Tibeter. Er konnte weder Englisch, noch wir ein Wort tibetisch und so stand er in seinem dicken, langen Mantel einfach etwa 15 Minuten lang schweigend vor unserem Feuer und wärmte sich auf.

Am Sonntag ging es dann weiter Richtung Zhuosang. Wir kamen durch das Dorf Sangdui…

… und fuhren dann fast den ganzen Tag durch unbewohnbares Gebiet, in welchem auf 4500m es ganz ordentlich kalt wurde.

Auf dem fünften Pass musste ich dann, wie so oft in China, fürs Fotoshooting mit mehreren chinesischen Männern Hände schütteln. Zum Glück waren wir noch nicht allzu erledigt, denn den obwohl der fünfte Pass ein Doppelpass war, waren beide Pässe relativ flach und noch wichtiger es waren Pässe mit Rückenwind!!

… vor wir endlich kurz vor Zhuosang auf 3700m unser Zelt aufstellen konnten. Es war ein schöner, warmer Abend. Wir badeten im Fluss und wuschen sogar unsere Wäsche…

… umso überraschter waren wir als mitten in der Nacht das Zelt aufgrund der Nassschneelast über uns fast zusammenbrach.

Am Montagmorgen war eine kleine Winterlandschaft um uns entstanden. So durften also auch wir noch den Winter erleben.

Es war zwar kalt, aber die Landschaft mit den Häusern, Tempeln und Stupas dafür umso interessanter…

Trotz der Kälte, es hatte knapp über 0°C, waren die Dorfbewohner damit beschäftigt entlang der neu gebauten Straße Äste einzupflanzen um die Straße langfristig zu begrünen. Dazu gruben sie ein Loch, steckten einen Ast rein und schütteten das Loch mit Erde zu. Irgendwie scheint es zu funktionieren, denn wir sahen wie die Äste, die bereits seit längerem eingepflanzt waren, bereits neue Triebe hatten.

Aber es wurde wie auch sonst überall in China kräftig an den Häusern gebaut…

Kurz vor Litang ein sechster Pass, und zwar der erste mit Schnee. Deshalb der sogenannte weisse Pass.

In Litang waren wir alle vier froh nach einer Woche in großer Höhe, mit vielen kalten Nächten, Minusgraden im Zelt, gefrorenem Wasser in den Flaschenn oftmals kalten Fingern und Zehen nun Litang auf etwa 4000m Höhe zu erreichen. Mit dem Wetter hatten wir, bis auf den letzten Tag, eine Woche lang großes Glück gehabt.

Da wir bereits am frühen Nachmittag in Litang ankamen, schlenderten wir noch etwas durch die Stadt und sahen wieder ganz anders ausseehende Menschen…

Viele der Tibeter waren so gekleidet, dass sie auf uns einen „wilden“ Eindruck machten und gut in einem alten Gangsterfilm mitspielen hätten können.

Wir gingen noch zum Tempel hoch…

Spannend war ein Gespräch mit einem Chinesen am Abend in der Jugendherberge (Litang Summer Youth Hostel) vor dem Holzofen. Er erklärte uns warum die Tempel hier so groß und mit so viel Gold geschmückt waren. Angeblich übernehmen die Tempel hier in Tibet großteils die Aufgabe einer Bank und verleihen Geld an die Tibeter. Der Zinssatz für den Kredit beträgt dabei üblicherweise 20%. Wenn jemand das Geld plus Zinsen nicht innerhalb des abgemachten Zeitraums zurückbezahlt, so wird er von den Mönchen in einem Ritual verflucht.

Was davon genau stimmt wissen wir nicht, doch ein klein wenig Wahrheit wird schon daran sein…

In Litang trennten sich unsere Wege und die von Alexine und Bastien. Die beiden planen in Richtung Ürümqui und dann über Pamir & Co nach Europa zu radeln, während wir uns in Richtung Chengdu aufmachten. Wir hoffen, dass sie bei ihrer Rückreise bei uns  einen Halt einlegen!!!

Wer am groben Profil von der Strecke Shangri-La bis Wolong interessiert ist oder einfach den Überblick über all die Pässe verloren hat, sieht sich am Besten die entsprechenden Seiten bei betzgi.ch an.

Aktueller Standort: Tagong (China 🇨🇳)

Aktueller Kilometerstand: 13798 Kilometer

Nächstes Ziel: Chengdu (China 🇨🇳)

Johannes

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