Mit dem letzten Schnauf

Beschriebener Streckenabschnitt: Litang (China 🇨🇳) – Chengdu (China 🇨🇳) über Tagong und Danba; 706 km auf dem Fahrrad, 6 km im LKW; 9 Tage (18.04.2017 – 26.04.2017)

Am Dienstag Morgen sah die Welt wieder anders aus, denn die Sonne strahlte in unser Bett in der Jugendherberge und so wurde uns das Aufstehen und Zusammenpacken leicht(er) gemacht. Denn allzu erfreut waren wir nicht auf den Pausentag verzichten zu müssen, da unsere Beine sich sehr müde anfühlten. Da die Wetterprognosen für die kommenden Tage jedoch nicht allzu prächtig aussahen und wir bevorzugen bei schlechtem Wetter nicht mehr auf der Hochebene zu sein, musste es weitergehen.

Bevor’s jedoch wieder den Berg hoch gehen soll, mussten wir unsere Lebensmittelvorräte auffüllen. Das war in Litang kein Problem, da es einen sehr großen und guten Markt gab. Ich freute mich, dass ich nicht wie die anderen Touristen nur schauen durfte was verkauft wird, sondern auch zugreifen durfte. Oft wenn ich nicht weiss um was es sich handelt, kaufe ich nur ganz wenig und probiere gleich vor Ort, bevor ich grosse Mengen einkaufe. Meist ganz lustig sich so durch einen Markt zu futtern – Johannes muss entsprechend lange bei den Rädern warten.

Mit vollen Taschen keuchten wir dann den Berg hinauf, wo schon der erste Tunnel auf uns wartete. Wir beschlossen, dass wenn nur immer möglich, wir nicht in diese unbeleuchteten dunklen „Höllen“ fahren. So ging’s nochmals 400 Meter über die alte, leider nicht mehr gut erhaltene Strasse, den Pass hoch.

Von der Strasse sahen wir eine Kolonne an LKWs aus dem Tunnel kommen – die meisten davon Militärfahrzeuge. Waren wir zu diesem Zeitpunkt froh, dass wir uns nicht im Tunnel befanden. Wir realisierten schnell, dass es auf der G318 deutlich mehr Verkehr gibt als auf den vorherigen Strassen. Ganz schlimm waren die hunderten von LKWs des chinesischen Militärs, die vermutlich alle auf dem Weg nach Lhasa waren.

Zwei Tage lang ging es auf der Hochebene mal über einen höheren, mal über einen ein wenig niedrigeren Pass. Alle so im Bereich von 4200 und 4400 müM.

Auch kamen wir immer mal wieder an keinen Ortschaften mit schönen Häusern vorbei.

Unser Zeltplatz am ersten Abend…

Die Temperaturen waren deutlich niedriger als die Woche zuvor und darum stand ab nun immer Suppe auf dem Speiseplan. Da wir immer mal wieder Gemüse, Kartoffeln und Fladenbrot kaufen konnten, gab’s immer richtig guten Eintopf.

Auf der G318 wimmelte es an chinesischen Radfahrern – man kann es kaum glauben. Täglich kreuzten wir mit mindestens 20 Radlern. Der grosse Unterschied zu uns war jedoch, dass diese kaum Ausrüstung dabei hatten. Wir waren uns fast ganz sicher, dass es Begleitfahrzeuge geben musste. Doch ein Radfahrer erklärte uns, dass sie alle individuell unterwegs sind, mittags Kekse und abends in den Dörfern essen und übernachten. Sie hätten keinen Guide sondern nur ein kleines Prospekt mit den Etappenbeschreibungen. In solchen Momenten kommt man sich schon ein wenig blöd auf seinem 50 kg schweren vollgepackten Rad vor.

Viele der Radfahrer wollten ein Foto mit uns machen. Das läuft dann nicht so ab, dass alle kurz herstehen und EIN Foto gemacht wird, sondern jeder Chinese mag meist ein eigenes Foto und dann noch die verschiedensten Kombinationen. Es kam oft vor, dass das Prozedere über 5 Minuten dauerte und manchmal mussten tatsächlich wir durchgreifen und sagen, dass nun Schluss ist.

Die Radfahrer waren jedoch noch lange nicht so nervig wie die Touristen in ihren fetten SUVs. Den ganzen Tag mussten wir ihren katastrophalen Fahrstil ertragen und wenn wir Pause machen, mussten wir unseren Kopf noch für ein Foto erhalten. Da nehmen sie null Rücksicht, sondern beharren ganz egoistisch auf ihr Foto. Unser Wohlwollen mit den Autofahrern war nahezu bei Null und so bekamen nur noch die ganz Netten und Höflichen ein Foto mit uns zwei Superstars 😋. Die anderen liesen wir schon mal mit gezücktem Smartphone stehen.

Der letzte Pass vor Yaijang (oder auch als Hekou bezeichnet) war wieder untertunnelt. Trotz müden Beinen strampelten wir tapfer über den Pass bevor es über 1500 Höhenmeter in die Tiefe ging.

Nach fast einer Woche auf über 4000 Meter genossen wir es so richtig auf 2900 Meter schlafen zu können – so warm und soviel Luft plötzlich!

Aber die Freude hielt nur kurz an, da es am nächsten Tag wieder auf einen Pass von über 4300 Meter gehen soll. Zum Glück verlief die Strasse lange und nur leicht steigend im engen Tal, sodass wir noch ein bisschen länger Frühling genießen und die draussen arbeitenden Dorfbewohner und Kühe grüssen konnten.

Nach den ersten Serpentinen und dem ersten Donnergrollen stellten wir schnell unser Zelt auf. In letzter Sekunde bevor’s zu regnen begann, schlüpften wir in unsere warmen Schlafsäcke und vertilgten Fladenbrot mit Banane und Schokolade.

In der Nacht wieder ein Aufschrei um Johannes zu wecken, denn das Zelt glich wieder einer Dörrpflaume. Schnell war der nasse Schnee abgeschüttelt und wir wieder im Träumeland.

Morgens eine mühsame Winterlandschaft, denn der pflutschige Schnee bescherte uns schnell nasse Füsse.

Auch das Raufstrampeln brachte nicht viel – die Füsse blieben kalt.

Es folgte wieder diese blöde Tunnelsituation (dunkle gute Strasse für 20 Minuten vs. schlechter Kiesweg ohne Autos für 2 Stunden), doch dieses Mal bei schlechtem Wetter. Für Johannes keine Frage, dass wir uns über den Pass kämpfen. Meine Motivation war in diesem Moment wie weggeblasen (was kalte Füsse alles bewirken können…), der Daumen rausgestreckt und schon bald waren unsere Räder auf einem LKW verladen und wir gemütlich in der beheizten LKW Kabine platziert. In diesem Moment fand, so glaube ich zumindest, auch Johannes den LKW eine nicht so schlechte Idee…

Direkt hinter dem Tunnelausgang stiegen wir nach 6km Fahrt durch’s schwarze Loch wieder aus dem LKW aus, da wir auf die, auch wenn nur kurze Abfahrt, nicht verzichten wollten.

Gerade als der LKW wegfuhr grinsten uns natürlich wieder die chinesischen Radfahrer zu, die völlig sorglos in die dunklen Röhren hineinradelten…

Nebst den vielen Lhasa-Radfahrer, gibt es auch Lhasa- Wanderer. Wir würden die G318 aufgrund des fehlenden Seitenstreifen bereits nicht gut zum Radfahren beschreiben – doch erst zum Wandern???? Nie im Leben würde ich auf dieser Strasse über 2000 Kilometer laufen – Lhasa hin oder her!!!!

Kurz vor Xinduqiao verliessen wir die G318 und fuhren anschließend auf der S303 in einem wunderschönen Tal nach Tagong. Zu Mittag hatten wir sogar kurz Sonne und so konnten wir all unsere nassen Sachen trocknen während die Suppe im Töpfchen vor sich hin köchelte.

In diesem Tal herrschte, so hatten wir jedenfalls das Gefühl, noch Winter.

Kurz vor Tagong bewunderten wir all die tausenden von Buddhisten bemalten Steine.

In Tagong entschieden wir uns uns ein Zimmer in einem Guesthouse zu nehmen, weil’s trotz Sonne noch ziemlich kalt war. Wir fanden ein nettes Zimmer im Kampa Guesthouse, doch vor Sauberkeit (wie im Lonely Planet beschrieben…vielleicht lag es am neuen Besitzer) blitzte die Sache (insbesondere Bad und Dusche) schon lange nicht mehr. Obwohl das Guesthouse insgesamt eine komische Sache war, war der Check-in dank englischsprechendem Tschechen einfach und das Bett dank chinesischer Heizdecke warm. Viel mehr wollen wir ja nicht 😏

Am nächsten Tag konnten wir weiter in dem schönen Hochtal fahren und erreichten am Nachmittag den Übergang von dem es von knapp 4000 auf 1850 müM hinuntergehen sollte.

Die Abfahrt war sehr schön, da wir durch zwei sehr spektakuläre Schluchten hinuntersausen konnten.

Etwa 20 Kilometer vor Danba stellten wir unser Zelt seit langer Zeit wieder mal im Grünen auf.

Am nächsten Morgen änderte sich das Ortsbild dann drastisch. Anstatt schön erhaltener grosser Häuser mit grossem Grundstück, nun kleine zusammengepferchte Häuser, die oft verwarlost aussahen oder einer Baustelle ähnelten. Ein eindeutiges Zeichen, dass nun nicht mehr Tibeter, sondern Chinesen, die Überhand haben.

In Danba (auch Zhanggu genannt), der Hauptort von mehreren Tälern, fanden wir nebst Obst und Gemüse, auch wieder eine chinesische Bäckerei mit süssem Hefeteiggebäck. Zum Glück denn nach Danba ging’s von 1850 auf 4490 müM hinauf. Ja, ihr habt richtig gehört ein Aufstieg von 2640 Höhenmeter. Zum Glück zog sich der Aufstieg über 140 Kilometer.

Lokale Frauen mit ihren traditionellen Kleidern…

Nach Danba ging’s zuerst mal 90 Kilometer im engen Tal entlang des Flusses. Wir machten einige Höhemeter, jedoch fast immer gingen sie verloren, da es sich nur um Aufstiege zu den einzelnen Dörfer handelte. Ein Auf und Ab also den ganzen Tag. In den Dörfern gab’s immer wieder kleine Geschäfte, sodass für Gemüse-, Cola- und Keksnachschub gesorgt war.

Etwa 20 Kilometer vor Rilong, einem verwahrlosten Möchte-Gern-Touristendorf, begann der eigentliche Aufstieg und damit änderte sich auch die Landschaft.

Am Abend im Zelt wieder mal die Feststellung, dass mit unserer Ausrüstung etwas nicht in Ordnung ist. Dieses Mal die Exped Matte, bei der eine der mittleren Trennwände sich zu lösen scheint. Da kamen Erinnerungen an unsere Pamir Highway Tour hoch, als wir so ein Problem in Osh auch schon hatten. Zu unserer Überraschung ist jedoch die neue (ca. 1 Jahr alte) und nicht die alte (ca. 5 Jahre alte) Matratze betroffen. Gut, ein Garantiefall mehr, den wir melden müssen…

Am nächsten Tag ging’s wieder mal in den Schnee, doch bei der bekannten Tunnel-oder-Pass-Situation entschieden wir uns für den Pass, da das Wetter stabil aussah.

Doch schon wenige Kurven über dem Tunnel kam starker Wind auf und dann Schnee dazu. So fuhren wir im Schneesturm mit letzten Kräften auf diesen letzten Pass vor Chengdu, dessen Strassenbelag jedoch ausnahmsweise sehr gut war, wohlwissend dass eine 3700 Meter Abfahrt folgt.

Statt einer Sausefahrt, gab’s dann jedoch Schneefahrbahn, da es auf der anderen Seite des Passes mehr Niederschläge bei tieferen Temperaturen gab. Alle Autos drehten trotz abenteuerlustigen Fahrer um (sie hätten ja gleich den Tunnel nehmen können) und so waren unsere Spuren, die einzig durchgehenden an diesem Mittag.

Starker Nebel machte die Abfahrt nicht einfach, aber noch schlimmer war, dass die chinesischen Autos anstatt ihres normalen Abblendlichtes nur die Warmblinkanlage angeschalten hatten. Unverständlich – Johannes meint, dass sie ihre Lampen schonen wollen…

Wir zitterten auf unseren Rädern, denn obwohl wir schon ‚zig Meter tiefer als der Pass waren, stiegen die Temperaturen nicht im Geringsten, sondern fielen sogar bis auf 4°C. Uns war so kalt, dass wir sogar im Vollschuss in einen unbeleuchteten Tunnel bei der Abfahrt einfuhren. Wir dachten, dass wir diesen halben Kilometer abwärts (war davor angeschrieben) schon überleben werden. Als wir jedoch im Tunnel waren realisierten wir wie angsteinflössend so ein dunkler Tunnel für einen Radfahrer sein kann und wir waren sehr froh nie in eine längere dunkle Hölle hineingefahren zu sein.

Dann endlich ein kleines Essenslokal mit Ofen, wo wir freundlich empfangen und mit Tee, Reis, Kartoffeln und einem Platz am Ofen wieder aufgepäppelt wurden.

Am Abend, kurz vor Wolong, auf ca. 2000 Meter, wussten wir, dass zelten im noch immer andauernden strömenden Regen nicht in Frage kommt, da wir bereits pflätschnass waren. Da wir ein altes leerstehendes Haus am Strassenrand entdeckten, entschieden wir nicht auf Hotelsuche in Wolong zu gehen, da wir befürchteten das die Suche nach einem halbwegs akzeptablen Zimmer, für das zudem Ausländer zugelassen sind, sich in die Dauer ziehen könnte.

Als wirklich trocken konnte man den Zeltplatz nicht bezeichnen, da das Dach alles andere als intakt war. Doch besser als draussen war es noch alledem, denn es regnete die ganze Nacht.

Am nächsten Morgen noch immer Regen und so waren wir sehr motiviert die ganzen restlichen 150 Kilometer nach Chengdu in einem Tag zu fahren.

Zwischen Wolong und Dujiangyan kam ein Tunnel nach dem anderen – zwei waren sogar etwa 6 Kilometer lang. Zum Glück waren alle Tunnels beleuchtet und es gab verhältnismäßig wenig Verkehr. Zudem genossen wir in den Tunnel’s die Regenpause 😊. Trotzdem waren wir nach jedem Tunnel froh noch am Leben zu sein, denn die verrückten chinesischen Auto-, LKW- und Busfahrer überholten teilweise im Tunnel trotz Gegenverkehr ohne eingeschaltenem Licht. Das festigte unsere Meinung zu ihrem schlechten Fahrstil. Wir wissen nur noch nicht wen wir als schlechtere und rücksichtslosere Autofahrer bezeichnen sollen – die Chinesen oder die Vietnamesen?

Als wir am frühen Nachmittag Dujiangyan erreichten und der Regen endlich aufgehört hatte, wussten wir, dass wir’s bis Chengdu schaffen können. Und wenn’s zwei Köpfe wollen, dann geht viel. Nach einer grossen Portion Gemüse mit Reis, starteten wir mit den restlichen siebzig flachen Kilometern nach Chengdu.

Im Flachen sausten wir zwei Höhentrainierten nur so dahin, so dass wir um 18 Uhr bereits vor dem Sam Cozy Hotel in Chengdu standen, wo’s ein freies Zimmer und einen sicheren Fahrradabstellplatz gab. Um 20 Uhr lagen wir somit frischgeduscht im Hotelzimmer und waren froh, dass alles so gut geklappt hat und dass wir unser letztes Ziel hier in China gesund und munter erreicht haben.

Für all jene, die endgültig den Überblick über all die Pässe verloren haben, gibt es noch immer betzgi.ch.

Kleine Anmerkung zum Schluss: Aus Sicht von Johannes hätten wir den Blogbeitrag „Mit den letzten Fettreserven“ nennen müssen – so schlecht schaut’s um sein Körperfett aus….

Aktueller Standort: Chengdu (China 🇨🇳)

Aktueller Kilometerstand: 14 271 Kilometer

Nächstes Ziel: Flughafen Chengdu (China 🇨🇳)

Regula

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